Jeder, der bei Björn Höcke ein schlechtes Gefühl hat, sollte sein Buch “Nie Zweimal in denselben Fluss” lesen.
Zitat 1, Seite 373 in der pdf-Ausgabe :
“… das Ganze muß viel tiefer und breiter angelegt werden. Die erforderliche Renovation steht im Kontext einer ganzen Geschichtsepoche. Es ist auch für einen Politiker, der tief in den Tagesgeschäften steckt und eher auf kurzfristige Horizonte getrimmt ist, sinnvoll, von Zeit zu Zeit einen übergeordneten Standpunkt einzunehmen und das politische Geschehen in einem größeren
historischen Zusammenhang zu betrachten.Können Sie das in groben Zügen skizzieren?
Ich will es versuchen: Die Moderne selbst halte ich für eine Verfallsform einer bedeutsamen Ep o c h e , nämlich der Neuzeit, die vor rund fünfhundert Jahren in Europa einsetzte. Mit der Loslösung des Individuums aus den mittelalterlichen Kollektiven kam es zu einer Entfesselung unglaublicher Kräfte: in den Wissenschaften, der Technik, der Ökonomie und der Kultur. Dabei zerfiel die alte Struktur der Civitas und des kaiserlichen Universalismus, so daß es einer neuen politischen Institution bedurfte, um Ordnung zu schaffen und die gewaltigen, aber auch zerstörerischen Kräfte der Emanzipation in produktive Bahnen zu lenken. Gleichzeitig bildete sich aus den ethnopluralen Gemeinschaften des Reiches das Volk als neues politisches Subjekt heraus. Das war die Geburt des neuzeitlichen Nationalstaats. Dieser Staat hatte ungeheure Aufgaben zu bewältigen: die Befriedung des Landes, den Aufbau der Infrastruktur, der Verwaltung, des Justiz-und Bildungswesens, die Gestaltung der Wirtschafts-und Sozialpolitik und anderes mehr. Im Großen und Ganzen funktionierte das auch in den europäischen Ländern – vorbildlich in Preußen und Österreich, den beiden deutschen Hauptmächten – und begünstigte die Entwicklung Europas zur führenden Weltmacht. Grundbedingung für diesen Prozeß war der bändigende, ordnende und gestaltende Staat.
Nun ist der Staat ja seit den Zeiten von Privatisierung und Deregulierung eher auf dem Rückzug.
Damit verweisen Sie genau auf den springenden Punkt, der dem dynamischkonstruktiven Lauf der Neuzeit einen dramatischen Knick bescherte. Mit dem Abbau der klassischen Staatlichkeit, der übrigens schon sehr weit vor der genannten Neoliberalisierung einsetzte –, begannen die Freiheits-und Emanzipationskräfte sich zunehmend destruktiv auszuwirken. Diese Entwicklung wurde mit dem Aufkommen des Kapitalismus im 18. Jahrhundert noch einmal befeuert, da die selbstbewußten Unternehmer aus Eigeninteresse die Einmischung des Staates in ihre Geschäfte vehement ablehnten, vor allen im angelsächsischen Raum. Hier tobte sich auch der berüchtigte Manchester-Kapitalismus hemmungslos aus, mit all den bekannten negativen sozialen Folgen. Als Begleitmusik mutierte das schöpferische Individuum, das sich seit der Renaissance zu großer Blüte entfaltet hatte, im Laufe der Zeit zum flachen Massenmenschen.” (Unterstreichung hinzugefügt)
Zitat 2, S. 388 der pdf-Ausgabe:
“Sie sagten, der Staat spiele bei der produktiven Bändigung der Emanzipations-und Freiheitskräfte eine besondere Rolle. Sehen Sie nach den langen staatlichen Abbauprozessen hier überhaupt noch die Chance einer Wiederbelebung?
Wenn wir die völlig aus dem Ruder gelaufene Moderne wieder in den Griff kriegen möchten, kommen wir um eine Rekonstitution des Staates in seiner neuzeitlichklassischen Form nicht herum.
Das wird neben der Notwendigkeit einer religiösen Wiederverankerung eine der entscheidenden Aufgaben der Zukunft sein. Alle genannten Aspekte der Rekomposition beziehen sich auf ein Volk als geschichtlich gewachsene Einheit, bedürfen aber eines klar umrissenen Ordnungs- und Gestaltungsrahmens, innerhalb dessen ein Volk walten und wirken kann. Diesen Rahmen stellt der Staat zur Verfügung. Er ist gleichzeitig »Geschäftsführer« des historisch-politischen Subjekts, sichert die innere Ordnung und verteidigt die Souveränität nach außen.Diese neuzeitliche Symbiose von Staat und Volk ist das, was wir gemeinhin als Nation bezeichnen. Wenn man sich die Geschichte Europas anschaut, ist sie ein unglaubliches Erfolgskonzept und wurde erst im Zuge der Globalisierungsdoktrin mit ihrem Fetisch der Supranationalisierung zum Auslaufmodell erklärt.”(Unterstreichung hinzugefügt)
Genau DAS war das Wirtschaftskonzept der Nationalsozialisten, siehe hier: Reimann, “The Vampire Economy. Doing business under Fascism”
Wer diesen Mann wählt, der weiß was kommt: der Staat als “Geschäftsführer” der Bevölkerung.
Zitat 3, S. 382 der pdf-Ausgabe:
Ein funktionierendes Gemeinwesen bedarf auch einer produktiven Wirtschaftsordnung, die ein ausgewogenes soziales Gefüge generiert und nicht die Kluft zwischen Reich und Arm vergrößert – sie wird also post-kapitalistisch sein, ohne in einen lähmenden Sozialismus alter Machart zu verfallen.
Höcke ist anti-kapitalistisch und will eine neue Art von Sozialismus. Er beruft sich dabei – genau wie Marx – auf Hegel.
Das Problem ist nur, daß derzeit fast alle so einen Staat wollen. Nur halt nicht so volksbetont wie der Herr Höcke.
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